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Der legendäre Filmemacher Wenzel Storch, Meister des Recyclings, stellt sein Werk vor

Dieser opulente Foliant weckt nicht nur die warme Erinnerung an die drei großen Filmwerke von Wenzel Storch, er spricht nicht nur die Sinne an mit seinen vielen vielen bunten Bildern – er ist auch ein haptisches Vergnügen, denn vom Text zu den Abbildungen verweist lediglich eine Art Fußnote. Das sportliche Blättern mit flinken Fingern macht »Wenzel Storch: Die Filme« zur perfekten Lektüre für den kalorienbewussten Leser.

Storch hat mehrere Interviews kompiliert, um seinen Filmen Der Glanz dieser Tage (1989), Sommer der Liebe (1992) und Die Reise ins Glück (2004) – die im Label Cinema Surreal auf DVD herausgebracht werden – auch auf Papier gerecht zu werden. Dazu gehören absurde Anekdoten über erste Ideen beim LSD-induzierten Besuch im Hildesheimer Dom oder über Förderanträge, die per Live-Theateraufführung gestellt (und dann auch bewilligt) werden; da gibt es detaillierte Berichte über die langwierige Kleinarbeit an
diversen Kulissen, die von Hand gebastelt werden, auch ohne, dass es für sie im Filmkonzept eine Verwendung gäbe. Schließlich werden die persönlichen Urgründe von Storchs Denken und Handeln beleuchtet, die in einer ultrakatholischen Erziehung und der immerwährenden Rebellion dagegen liegen.

Und niemals wird vergessen, was Storchs Filme eigentlich sind: großangelegte Homemovies, handgemacht aus Sperrmüll, angefüllt mit Ideen, die nicht zwangsläufig zueinanderpassen, verfugt mit einem bizarren Witz zwischen Klospruch und Selbst­analyse, Gotteslästerung und Märchenwelt. Als Großmeister des künstlerischen Recyclings baut Storch ein, was ihm und seinen Mitstreitern – darunter der ewige Hauptdarsteller und Ex­trucker Jürgen Höhne – durch den Kopf geht, die Inspirationen reichen von obskuren Aufklärungsbüchern katholischer Provenienz über Quelle-Kataloge bis »Praline« und »St. Pauli Nachrichten«. Mülleimer und Flohmärkte im Hildesheimer Umland sind nicht sicher, wenn Storch sein Production Design plant – man kann das gutwillig »Collage« nennen oder böswillig »Müllhaufen«. Man sollte es aber auf jeden Fall als Ausdruck eines wahren auteurs deuten: Denn die Methode assoziativen Ansammelns durchzieht Storchs Texte und damit dieses Buch. Ein Buch, das Bruchstücke alter Texte zweitverwertet, diese reichlich bebildert und dazu noch mit Ausflügen ins Hildesheimer Trinkerviertel und in die Literatur des 19. Jahrhunderts aufwartet – zum allumfassenden Vergnügen des Lesers.

Wenzel Storch: Die Filme. Martin Schmitz Verlag, Berlin 2013. 335 S., massenhaft Abbildungen. 29,80 €.

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